Zeitenspiegel Reportagen

Klasse der Reportageschule verabschiedet

04.10.2016

Die Titelseite des neuen “Go”-Magazins ist ganz in Schwarz gehalten. Lediglich zwei Zahlen geben einen Hinweis auf seinen Inhalt: „1993” und „2016“ steht da – Geburts- und Todesjahr des Eritreers Mehari Beyan, der als Minderjähriger aus seiner Heimat floh und, Jahre später in einem Waldstück bei München Suizid beging. Ein Schicksal, von dem wir für gewöhnlich höchstens durch eine kurze Meldung in der Lokalpresse erfahren. Nicht so in diesem Fall: Der 11. Jahrgang der Zeitenspiegel-Reportageschule Reutlingen entschied sich, Mehari Beyan ein ganzes Heft zu widmen.

„Mehari. Ein Leben - elf Geschichten“ lautet der Titel ihres Abschlussmagazins, das nicht nur Beyans Geschichte erzählt, sondern in zehn weiteren Reportagen vom Schicksal der Menschen berichtet, die wir oft nur als Teil anonymer Flüchtlingsstatistiken kennenlernen. Von der jungen Eritreerin Neda etwa, die, wie viele geflüchtete Frauen, auf ihrem Weg durch den Sudan misshandelt und vergewaltigt wurde. Von Männern wie Bluts Iyassu, der von Eritrea nach Israel ging, um sich ein neues Leben aufzubauen und stattdessen nur Ablehnung erfährt. Oder von Männern wie Hamit, der aus Aleppo floh und nun in Deutschland – weit weg von seiner Familie – an Depressionen leidet und auf unbürokratische Hilfe angewiesen ist.

Es ist ein eigenwilliges Magazin, das die Absolventen produziert haben, was nicht nur Edzard Reuter, Vorsitzender des Kuratoriums der Reportageschule, in seiner Festrede würdigte: „Es ist bewegend zu sehen, wie diese jungen Menschen für ihren Beruf brennen.“ Auch der Geschäftsführer der VHS-Reutlingen, Dr. Ulrich Bausch, zeigte sich von der Publikation beeindruckt: “Die Abschlussarbeit ist der Gegenentwurf zum um sich greifenden Hochgeschwindigkeitsjournalismus. Sie besticht durch gründliche Recherche und dringt tief in das Thema ein.“

Nicola Abé, Absolventin des 5. Jahrgangs und mittlerweile Nahost-Korrespondentin des „Spiegel“ mit Sitz in Tel Aviv, ermutigte die jungen Journalisten, bei ihren künftigen beruflichen Entscheidungen Mut zu beweisen. „Es gab viele Menschen, die mir erzählen wollten, dass ich von diesem Beruf nicht würde leben können“, sagte Abé. „Ich habe dann einfach immer weggehört.“

An der Verabschiedung des 11. und der Begrüßung des 12. Jahrgangs in den Räumen der Volkshochschule Reutlingen nahmen rund 100 Gäste Teil. Neben dem “Go”-Magazin stellten die Absolventen ein weiteres Projekt vor, das sie während ihres Jahres an der Reportageschule produziert haben: „Saluti dalla Puglia“ ist ein Online-Magazin, das Geschichten von Armut und Aufbruch im süditalienischen Apulien erzählt.

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