Zeitenspiegel Reportagen

Mieth-Preis: Reden im Wortlaut

05.05.2016

Rede von OB Christoph Palm bei der Verleihung des Hansel-Mieth-Preises 2016 am 4. Mai 2016 in der Schwabenlandhalle Fellbach

  • Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter, lieber Herr Kermani, liebe Preisträger des Hansel-Mieth Preises digital, liebe Vertreter der Agentur Zeitenspiegel, sehr geehrte Mitglieder der Jury, meine sehr geehrten Damen und Herren,

erstmals in der 18-jährigen Geschichte des Hansel Mieth Preises darf ich Sie nicht im Rathaussaal, sondern in der Schwabenlandhalle begrüßen. Der Name Navid Kermani hat weit über den Kreis der bisher Interessierten hinaus seine Wirkung entfaltet. Auch für uns war es eine freudige Überraschung, dass die Jury des Mieth Preises einen Schriftsteller ausgezeichnet hat, der bereits vielfach für sein literarisches Schaffen geehrt wurde – u. a. mit dem Kleist Preis 2012 (auf das Votum von Bundestagspräsident Lammert) und dem Joseph Breitbach Preis 2014.

Denn Sie sind vieles, lieber Herr Kermani: habilitierter Orientalist, Essayist, Autor zahlreicher Romane, ein Berufsjournalist eher nicht. Als Weit- und Vielgereister und als engagierter Zeitgenosse haben Sie jedoch schon seit längerer Zeit Reisereportagen verfasst, die unter dem Titel „Ausnahmezustand. Reisen in eine beunruhigte Welt“ 2013 im C.H Beck Verlag erschienen sind.

Es kam daher nicht von ungefähr, dass Sie im Auftrag des Spiegel im Jahr 2015 eine Reise unternahmen, die Sie von Budapest über Kroatien und Lesbos nach Assos führte – eine Reise auf den Spuren von Flüchtlingen. Die Reportage schildert Begegnungen mit Flüchtlingen, Gespräche mit Helfern, gibt Beobachtungen von Situationen, durchaus auch gemischte Empfindungen wider und erlaubt vor allem Einblicke in eine komplizierte Wirklichkeit. Die Aufzeichnungen sind zusammen mit den Bildern des MAGNUM Fotografen Moises Saman am 10. Oktober 2015 im Spiegel erschienen. Dafür werden Navid Kermani (Text) und Moises Saman (Fotos) heute mit dem Hansel Mieth Preis geehrt, der jährlich für engagierte Reportagen in Wort und Bild verliehen wird. Moises Saman ist aus beruflichen Gründen verhindert. Lieber Navid Kermani, Sie sind hier, sehr herzlich heiße ich Sie willkommen und gratuliere. Begrüßen will ich auch den Bildredakteur des Spiegel Matthias Krug, der die bildnerische Seite vertritt. Angemerkt sei, dass die Reportage in einer erweiterten Fassung 2016 als Taschenbuch herauskam und zu einem erstaunlichen Verkaufserfolg wurde. Titel: „Der Einbruch der Wirklichkeit“.

Vor genau 10 Jahren, meine Damen und Herren, 2006 wurde der Hansel-Mieth-Preis an eine Reportage verliehen, die in der Zeitschrift Mare erschienen war und an die ich mich noch sehr gut erinnere. Sie hieß „Das Dilemma des Commandante“ und beschrieb eindrucksvoll, wie der Kommandant der Mittelmeerinsel Lampedusa in einen unauflöslichen Zwiespalt gerät: Sein Auftrag ist, Menschen aus der Seenot zu retten. Zugleich soll er Europa vor Einwanderern schützen.

Damals schien dieses Thema noch weit weg. Eigentlich war man froh, dass die damit verknüpften Probleme vor allem von Italien gelöst werden sollten. Mit den Dublin- 2 -Verordnungen hatte man die Verantwortung an die Erstaufnahmeländer delegiert. „Die Flüchtlingskrise hat nicht erst begonnen, nachdem Deutschland sie bemerkte“, schreibt Navid Kermani. Anders ausgedrückt: das ferne Elend ist nun auch bei uns zuhause angekommen. Weder die Not der Menschen, die ihre Heimat aus vielen nachvollziehbaren Gründen verlassen, ist zu übersehen. Sie schwappt in Zahlen und Bildern regelmäßig via Fernseher in unsere Wohnstuben. Noch können wir die Probleme verdrängen, die durch die globalen Wanderungsbewegungen unsere Gesellschaft erreichen. Das Dilemma des Commandante ist ein europäisches Dilemma, ist unser Dilemma geworden.

Wie aber verhalten wir uns angemessen? Als Individuen, als Gesellschaften, als Staaten. Gegenüber dem, was man Flüchtlingskrise nennt, wobei nie so recht klar ist, ob damit u n s e r e Krise, u n s e r e Überforderung gemeint ist oder die große Krise, die die Flucht so vieler Menschen ausgelöst hat. Was soll man tun angesichts von Krieg und Gewalt, die große Teile der Welt regieren und uns in Gestalt von Terrorattentaten ganz nahe gerückt sind. Terror, der sich aus verschiedenen Wurzeln speist: einer extremistischen Auslegung des Islam ebenso wie aus einer nicht geglückten, vernachlässigten Integration Jugendlicher der zweiten Einwanderergeneration. Wie antworten wir auf anschwellende Ressentiments und Konflikte innerhalb unserer Gesellschaft, die sich als ein Erstarken der rechten und rechtspopulistischen Flügel manifestiert – in vielen Ländern Europas und seit Kurzem auch in Deutschland? Wie der Fremdenfeindlichkeit begegnen?

Und wie kann es gelingen, das Haus Europa gemeinschaftlich zu renovieren, nach einem Plan, der alle einschließt – die alten und die noch relativ neuen Bewohner ebenso wie diejenigen, die vor den Türen stehen, und anklopfen. Die Festung Europa, sie ist wohl schon gefallen, während viele der europäischen Staaten – insbesondere in Osteuropa – alles daran setzen, aus vermeintlich nationalen Interessen ihre eigenen, separaten Festungen zu bauen.

Die drohende Spaltung Europas – dieses Menetekel bedrückt. Wenn Europa sich nicht nur als Wirtschaftsraum sondern auch als politisches Bündnis und als Wertegemeinschaft versteht, dann sollten die Mitglieder bestrebt sein, diese Werte in g e m e i n s c h a f t l i c h e r Anstrengung in die Praxis umzusetzen.

Warum sollte die Europäische Union mit derzeit rund 500 Millionen Einwohnern nicht in der Lage sein, zum Beispiel 5 Millionen Flüchtlinge (das wäre ein Prozent der Bevölkerung) aufzunehmen, anständig zu behandeln, kurzfristig Schutz zu gewähren und – wenn es nötig wird – langfristig zu integrieren? Nach einem vernünftigen Schlüssel, versteht sich, der die Wirtschaftskraft und sozialen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, so heißt es, sei einem spontanen menschlichen Affekt gefolgt, als sie in einer humanitär inakzeptablen Lage die Grenzen öffnete und den seitdem viel zitierten und kritisierten Satz - „Wir schaffen das“ - prägte. Mitmenschlichkeit ist nicht der größte Fehler, den man einem Politiker anlasten kann, denke ich. Unabhängig davon handelte sie als Europäerin aus Überzeugung. Als solche durfte sie – auch mit kühlem Kopf und rationalem Kalkül – damit rechnen, dass Europa zusammen stehen und die Krise gemeinsam anpacken würde. Nur darin hat sie sich getäuscht. Leider.

Drei Leitfäden möchte ich nennen, die meines Erachtens in dieser gesellschaftlich wie politisch brisanten Situation zu beachten sind. In einer Demokratie zu leben heißt auch, Ambivalenzen und Spannungen auszuhalten, weil es meistens keine einfachen, keine simplen Lösungen gibt.

1- Wir bewegen uns in einem vom Recht gesetzten und rechtlich definierten Rahmen. Gebunden sind wir als Deutsche und Europäer an nationales, europäisches und internationales Recht. Dieses gebietet, Asylsuchenden Schutz zu gewähren. Asylrecht ist demnach kein Almosen sondern eine Pflicht. Weitere Richtlinien gibt das Grundgesetz vor, das sagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Der Leitsatz gilt für die Behandlung von Flüchtlingen. Er gilt aber auch als Orientierung für diejenigen, die aus anderen Kulturen zu uns kommen und akzeptieren müssen, dass Frauen gleichberechtigt und Homosexuelle zu respektieren sind. In einen Widerspruch zum Gebot, Asylsuchende aufzunehmen, kann die Pflicht eines jeden Staats, seine Grenzen und damit seine Bürger zu schützen, geraten. Insbesondere aus unkontrolliertem Zuzug kann ein erhöhtes Sicherheitsrisiko erwachsen. Dem begegnen wir derzeit in Deutschland durch besser geregelte Aufnahmeverfahren.

Das grundgesetzlich garantierte Recht auf Religionsfreiheit gilt für alle – auch für Muslime. Dieses Recht findet wiederum da seine Grenzen, wo religiös begründete Gepflogenheiten in einen Gegensatz zu unseren Rechtsnormen treten. Gerade die saubere Trennung von Religion und Staat bildet die Basis dafür, dass alle Religionen friedlich koexistieren können.

  1. Als Menschen tragen wir Verantwortung für unsere Nächsten: Familie, Freunde etc. Darüber hinaus gilt für einen Christen das Gebot der Nächstenliebe, die den Mitmenschen überhaupt meint. Ein schwieriges Gebot, das uns verpflichtet, unseren Verantwortungsspielraum zu erweitern. In einer globalisierten Welt wächst man zusammen – was die Warenströme, die Produktionskreisläufe, die Kommunikation im digitalen Zeitalter – und damit auch die Verantwortlichkeiten betrifft. Wenn in China der sprichwörtliche Reissack umfällt, kann dies weltweit Konsequenzen haben.

Wenn hinten, weit, in der Türkei,?Die Völker aufeinander schlagen.?Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus?Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;?Dann kehrt man abends froh nach Haus,?Und segnet Fried und Friedenszeiten.

Eigentlich gilt Goethes schon damals sarkastische Beobachtung noch heute. Je weiter etwas weg, desto beiläufiger hier die Reaktionen. Aber: was andernorts – weit hinten in Syrien, im Irak, in Afghanistan passiert – erreicht uns inzwischen nicht mehr nur als Nachricht, sondern in Gestalt von Menschen aus Fleisch und Blut. Es sind Menschen, die aus Krieg und Bürgerkrieg fliehen, Kriegen, in die wir schuldhaft verstrickt sind. Und damit nicht genug. Weitere kommen und werden kommen: etwa die, die man derzeit unter dem Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ auszusortieren sucht. Während die Balkanroute aktuell versperrt ist, sind allein zwischen 7. und 13. April fast 3900 Flüchtlinge auf dem Seeweg nach Italien gekommen. Mehrere Hunderte ließen auf diesem Weg ihr Leben. Keine Syrer, Afrikaner.

Wie man liest, findet derzeit in Niger ein Exodus statt. Warum? Weil in diesem armen Land ein exzessiver, von Frankreich betriebener Uranabbau das Trinkwasser vergiftet und Weideflächen unbrauchbar gemacht hat – dies nur ein Beispiel von vielen dafür, wie unser Lebensstandard dazu beiträgt, Menschen in anderen Teilen der Erde ihrer Lebensgrundlagen zu berauben, was zu Wanderungsbewegungen führt.

Wir kennen aus unserer eigenen Geschichte, wie wirtschaftliche Not Auswanderungswellen bedingte. In der Ausstellung zur „Kartoffel“, die wir demnächst im Stadtmuseum eröffnen, wird die Auswanderung aus Württemberg im Jahr 1816 ein Thema sein.

Eine Armutsflucht aus deutschen Landen, die 200 Jahre zurück liegt. Heute ist unsere Gesellschaft gefordert: zum einen die weltweiten Auswirkungen unseres eigenen Handelns zu überdenken, zum andern etwas für die Geflüchteten zu tun. Dieser zweifache Imperativ birgt Konflikte: Denn unsere Wirtschaftskraft, die Arbeitsplätze und Wohlstand sichert, hängt vom Export von Produkten ab, für deren Herstellung Rohstoffe aus aller Herren Länder, so auch aus der Dritten Welt, nötig sind. Im Zweifelsfall ginge es also für uns um Verzicht auf Lebensstandards und Konsumgewohnheiten.

Auch verlangt die Aufnahme von Flüchtlingen unserer Gesellschaft einiges ab: Mitteleinsatz, Toleranz und gezielte Hilfen für Integration. Ohne bürgerschaftliches Engagement würde dieser Kraftakt nicht gelingen. Ihnen allen, die in Fellbach (und anderswo) ehrenamtlich für die Flüchtlinge wirken, gebührt uneingeschränkte Dankbarkeit.

Wer die sog. Willkommenskultur denunziert und die Freiwilligen als naive Gutmenschen verhöhnt, liegt deshalb vollkommen daneben. In der Tat ist es kein schlechtes Gefühl, Gutes zu tun und zu bewirken. Die darüber lästern, sollten es mal ausprobieren.

Idealismus allein aber hilft nicht weiter. Und damit komme ich zum dritten Punkt. Wirklichkeitssinn ist gefragt, um konkrete Lösungsansätze für die sog. Flüchtlingskrise zu finden. Wir brauchen dringend übergreifende politische Bündnisse und Konzepte, um die Not, die die Menschen in die Flucht treibt, zu lindern. Militärische Interventionen können nur die Ultima Ratio sein, und selbst dann ist ihre Wirkung zweifelhaft. Unumgänglich ist dagegen, zu verhandeln – mit jedem - auch auf die Gefahr hin, zu scheitern. Reden, auch wenn es schwer fällt, mit Autokraten wie Putin, der in Syrien eine Schlüsselrolle spielt, ja selbst mit Assad, der seine eigene Bevölkerung malträtiert. Und: ja, selbstverständlich auch mit der Türkei, weil dieses Land eine Brücke darstellt zwischen dem Nahen und Mittleren Osten, wo es brennt, und der europäischen Hemisphäre.

Was ist, frage ich, so schlecht an einem „Deal“, wenn er menschenwürdigere Bedingungen für die riesige Anzahl von Flüchtlingen, die in der Türkei leben, schafft? Immerhin ist die Türkei weltweit das Land, das die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Bereits Ende 2014 sind es nach seriösen Schätzungen 1,59 Millionen gewesen. Ihnen dort eine Perspektive zu geben, bevor sie – vielleicht einmal – in ihre Heimatländer zurückkehren können, ist richtig. Richtig selbst dann, wenn der Umgang des türkischen Staatschefs Erdogan mit seinen Kritikern unseren Normen widerspricht.

Diplomatie heißt: werteorientiert u n d pragmatisch handeln. Deshalb sind Gespräche mit der Türkei zwangsläufig eine schwierige Gratwanderung zwischen dem Bestreben, Übereinkommen in der Flüchtlingsfrage nicht zu gefährden, und der Botschaft, Meinungs- und Pressefreiheit zu achten. Einer Botschaft, die mit der nötigen Klarheit überbracht werden muss.

Ob bei Verhandlungen zwischen Staaten oder im menschlichen Miteinander – es kommt auch auf eine Gesprächskultur an, die differenzierte Einschätzungen einschließt und befördert. Besonders fragwürdig sind Positionen, die Kausalitäten – ob absichtlich oder aus primitiver Gesinnung - vermischen, wie etwa: Weil im Namen des Islam Verbrechen begangen werden, ist der Islam verfassungsfeindlich und gehört verboten. Oder: weil es junge Männer gab, die in der Sylvesternacht Frauen belästigt haben, ist der arabische oder afrikanische Mann ein potenzieller Vergewaltiger.

Andererseits: Nur weil unter den geflüchteten Syrern etliche Akademiker - Ärzte, Tierärzte, Ingenieure - sind, werden die Flüchtlingen nicht unseren Arbeitsmarkt retten. Für humanitäre Hilfe ist unser Fachkräftemangel das falsche Argument.

Auf der lokalen, der praktischen Ebene, die für die konkrete Umsetzung der deutschen Flüchtlingspolitik zuständig ist, habe ich in den vergangene Monaten mannigfache Erfahrungen gesammelt, viel Zeit investiert, mit Flüchtlingen, Helfern, aber auch Skeptikern gesprochen und gemeinsam mit dem Landratsamt über Unterbringungen entschieden. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen, zuzuhören und mit Augenmaß konkrete Hilfestellung zu leisten. In Fellbach hat es viel Hilfsbereitschaft und keine fremdenfeindlichen Übergriffe gegeben. Auch Ausbrüche von Lagerkoller sind bisher seltene Ausnahmen geblieben. Sowohl auf kommunaler Ebene als auch auf in der großen Politik muss man sich daran gewöhnen, dass die Welt sich in einem ungeahnten Tempo verändert.

Eindeutige, rasche Antworten, meine Damen und Herren, werden der vieldeutigen Wirklichkeit nicht gerecht, Patentlösungen sind nicht in Sicht. Die Reportage von Navid Kermani und Moises Saman ist auch deshalb preiswürdig, weil sie Ambivalenzen nicht scheut, Vorurteile – auch gut gemeinte - nicht bestätigt sehen will, Widersprüche benennt und sich mit großem Einfühlungsvermögen den einzelnen Menschen zuwendet.

Lieber Herr Kermani, Sie gelten zu Recht – mit ihren Erfahrungen, Ihren Kenntnissen - als Brückenbauer zwischen Orient und Okzident, Morgenland und Abendland – in einem die Kulturen umspannenden Sinne. Der Elfenbeinturm der Gelehrsamkeit ist für Sie genauso wichtig wie die Erkundung der Realität, bzw. der Realitäten. Mit ihrer Friedenspreisrede haben Sie eindrücklich bewiesen, dass Sie eine Stimme der Vernunft u n d des Herzens sind.

Die Agentur ZEITENSPIEGEL kann man, lieber Uli Reinhardt, gar nicht genug loben. Wir sind ja nur Gastgeber. Dass der Hansel-Mieth-Preis seit nunmehr fast 20 Jahren existiert, verdanken wir ihrem Engagement. Vergeben wird der Preis im Namen einer Fotografin, die als Johanna Mieth Ende der 1920er Jahre aus Fellbach in die USA auswanderte. Dort wurde sie für Bilder berühmt, mit denen sie die Außenseiter, die Unterprivilegierten, die Minderheiten in den Blick nahm. Von ihr ist der Ausspruch überliefert, wonach „Mitleid das erste Unrecht“ sei. Damit ist vermutlich der sentimentale Beigeschmack einer Haltung gemeint, die sich folgenlos im Elend anderer bespiegelt. Andererseits hat Hansel Mieth folgenden Satz gesagt: „My heart bled for the poor people“ – „Mein Herz blutete für die armen Menschen.“ Die Verleihung des Preises an die Reportage „Der Einbruch der Wirklichkeit“ hätte gewiss ihren Beifall gefunden.

Zum guten Schluss will ich die Preisträger des „Hansel-Mieth-Preises digital“ begrüßen, der heuer zum zweiten Mal verliehen wird: Kim Wall (Text), Coleen Jose (Fotos) und Hendrik Hinzel (Videos) sind eigens aus den USA angereist. Herzlichen Glückwunsch zum verdienten Preis für die Multimedia-Reportage „Exodus“, die sich mit den Folgen der Atombombentests der USA für die Marshallinseln beschäftigt: auch ein Thema, das wir in unseren bewussten Horizont aufnehmen sollten. Bitte versäumen Sie nicht, meine Damen und Herren, der Arbeit, die im Foyer auf einem Monitor läuft, Ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Zuvor liest in bewährter Manier Eva Hosemann die Reportage und Ull Möck begleitet auf dem Klavier.