Zeitenspiegel Reportagen

Heimliche Helden

20.09.2016

Vom 4. - 9. September fand zum ersten Mal der Gipfel für Friedensstifter aus aller Welt in Paretz statt. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeiten die Teilnehmer seit Jahren für das, was derzeit in weiter Ferne scheint: eine friedliche Welt.

“Fluchtursachen bekämpfen” fordern Politiker aller Couleur. Doch wer soll sie bekämpfen? Und vor allem: wie? Während sich die Parteien noch über die Antworten streiten, gibt es viele Menschen die längst mit der Arbeit begonnen haben – teils mit großem Erfolg. Zum Beispiel Imam Ashafa und Pastor James Wuye, die in Nigeria zwischen verfeindeten christlichen und muslimischen Gemeinden vermitteln; Mossarat Quadeem aus Pakistan, die Jugendliche aus den Fangarmen der Islamisten reißt und ins zivile Leben zurückholt; Assad Chaftari, der sich vom Geheimdienst-Chef zu einem Aufklärer in libanesischen Schulen gewandelt hat. Dort überzeugt er Jugendliche, dass Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen sind.

17629_ev_1281_av.jpgFoto: Eric Vazzoler

Sie gehören zu den 30 Teilnehmer des ersten Gipfels für Friedensstifterinnen aus aller Welt, des „Global Peacebuilder Summit“. Während einer Woche versammelten sie sich in einem Tagungszentrum der Breuninger Stiftung in Paretz, ein 400-Einwohnerdorf in Brandenburg, das friedlicher nicht sein könnte, und tauschten sich darüber aus, wie sie ihre kriegsgeschundenen Länder wieder aufbauen können. Immer mit der Frage: Was stärkt die Zivilgesellschaft? Dabei waren sie Teilnehmer und Referenten zugleich, Politiker oder Vertreter der internationalen Gemeinschaft suchte man an dieser Konferenz vergebens. „Sie wissen am Besten, was ihr Land braucht“, sagt Michael Gleich, Moderator, Journalist und Autor, der mit seiner Stiftung Culture Counts Foundation den Gipfel ins Leben gerufen hat.

Er hat als Reporter für das Projekt „Peace Counts“ über zahlreiche dieser Friedensstifterinnen in Krisenregionen berichtet und arbeitet eng mit Experten und Institutionen auf dem Gebiet der zivilen Konfliktprävention zusammen. Dazu gehören die Berghof Foundation, das Förderprojekt zivik vom Institut für Auslandsbeziehungen IFA, Ashoka und Peace Direct. Aus dem gemeinsamen Pool an Kontakten wurden die Teilnehmer ausgewählt und eingeladen. „Es war immer mein Traum, diese mutigen Menschen an einem Ort zusammenzubringen.“

17629_ev_1516_av.jpgFoto: Eric Vazzoler

Mit dem Friedensgipfel wollte er ihnen einen Raum geben, in dem sie sich kennenlernen und austauschen können. Aber auch die Gelegenheit, inne zu halten und zu reflektieren. „Die Konflikte sind nicht nur außen, sondern auch in mir drin“, beschreibt es Fatuma Adan, eine Muslima aus Kenia. Die 38-jährige studierte Anwältin bringt im Hinterland verfeindete Dorfgemeinschaften mit Fußballturnieren zusammen, ihr Projekt hat bereits international Anerkennung gefunden. Doch die Arbeit in Konfliktregionen laugt über die Jahre aus. Deshalb richtete sich das Gipfeltreffen auch nach innen mit der Frage: Was stärkt uns?

„Mir fehlt der Austausch mit Gleichgesinnten in meinem Alltag”, sagt Edgar Khachatryan aus Armenien, der sich für Theater- und Dialogprojekte einsetzt. “Ich brauche dieses Gefühl, nicht allein zu sein.“ Die Schwierigkeiten seiner Arbeit teilt er mit den anderen: Wer garantiert für seine Sicherheit? Wie kann er Mitarbeiter motivieren? Wie seine Projekte finanzieren? Immer gibt es einen, der bereits eine Lösung gefunden hat. „Die Friedensmacher sind die Experten und können sich gegenseitig beraten“, sagt Michael Gleich. „Sie leisten wichtige Arbeit für Friedensprozesse, werden jedoch kaum wahrgenommen.“ Er spricht deshalb oft von „heimlichen Helden“.

17629_ev_1657_av.jpgFoto: Eric Vazzoler

Nach drei intensiven Tagen in der Dorfidylle fuhren die Teilnehmerinnen in Richtung Hauptstadt. „In Berlin konnten sie ihre konkreten politischen Forderungen vorbringen“, erklärt Michael Gleich den zweiten Teil des Gipfels. Am Donnerstag beim Unterausschuss für zivile Krisenprävention des Bundestags, am Freitag beim Auswärtigen Amt, das die Konferenz finanziell mitträgt und bei den Visa-Anträgen geholfen hat. Dort trafen die Teilnehmerinnen auf Politiker von konservativ bis links, und erzählten von ihren Schwierigkeiten und den Lösungen, die sie gefunden haben. Forderungen haben sie genug, allen voran: Passt eure Politik unseren Realitäten an, nehmt uns wahr, erkundigt euch nach unseren Bedürfnissen. Dabei betonten sie auch einen zentralen Konflikt: Friedensarbeit braucht Zeit, langfristiges Denken ist ihre Basis, Förderer verlangen jedoch Resultate bereits nach wenigen Monaten. Schließlich fragten sie nach Unterstützung für ihre neu gegründete Koalition, die zu einer globalen Friedensbewegung werden soll.

Nächstes Jahr wollen sie sich wieder treffen. „Der Gipfel liegt nun in ihren Händen“, sagt Michael Gleich, der sich bereit erklärt, mit der Culture Counts Foundation erneut die Organisation zu übernehmen. Die Chancen stehen gut, immerhin hat Rüdiger König, Leiter der Abteilung für Krisenprävention des Auswärtigen Amts, in der Abschlussrede seine Unterstützung angekündigt. Bis es soweit ist, haben sich die Teilnehmerinnen bereits selbst vernetzt: Zum Beispiel will eine Teilnehmerin von Fatuma Adans Fußballprojekt lernen und in Somalia ebenfalls eines aufziehen. Fatuma Adan ihrerseits will souveräner in den Medien auftreten und erhält von einem Radiomacher aus Mali einige Lektionen in Interviewführung. So wollen sie ihre Vision, die sie in der Woche formuliert haben sogleich in die Tat umsetzen: Gemeinsam auf lokaler Ebene für den globalen Frieden arbeiten. „Gebt uns eine Stimme“, sagte Fatuma Adan vor dem Unterausschuss des Bundestages. „Dann werden wir irgendwann so laut werden, dass die da draußen gar nicht mehr anders können, als uns zuzuhören.“